THE OTHER

“The death of a beautiful woman is, unquestionably, the most poetical topic in the world.” -Edgar Allan Poe

Im Haus ganz am Ende der Straße brennt noch Licht: The Other sind mit ihrem vielleicht furchterregendsten Album zurück. Immer schon ist Deutschlands größte Horrorpunk-Band hoffnungslos den Monstern verfallen, den Outsidern, den Serienkillern, Phantomen, Nachtmahren und in verborgenen Laboren gezüchteten Kreaturen; auf „Haunted“ begegnen uns Angst und Schrecken dennoch in anderer Gestalt. Rod Usher, Galionsfigur des Horrors, weiß, woran das liegt: Das achte Album seiner Untotenarmee ist das bislang persönlichste. Und schmerzvollste. „Ich habe in den Texten ziemlich viele Frauen umgebracht“, stellt er betroffen fest. „Es ist die nötige künstlerische Verarbeitung einer ziemlich heftigen Erfahrung und noch größeren Enttäuschung.“ Edgar Allan Poe lässt da nicht nur ein bisschen grüßen. Er ist ein sechstes Bandmitglied im dunklen Geiste.

Ja doch, es gibt sie auch heute noch, die typischen Horrorpunk-Kracher, in denen Wiedergänger Rod Usher und seine Zombieschar Mädchen mit spitzen Schneidezähnen besingen. Morbide Untergangsstampfer über all das, was so alles unter unseren Betten lauert, während wir uns in unruhigen Träumen wälzen. Mehr denn jemals zuvor in ihrer Karriere tauchen The Other jedoch ab in den schlimmsten Horror von allen: Die menschliche Psyche. Ob‘s daran liegt, dass die 2002 heraufbeschworene Band jetzt offiziell volljährig ist? Oder dass der frühere Bassist Aaron Thorn wieder Teil des Zirkels ist? Beides vielleicht. „Ich habe ganz vergessen, wie viel Spaß man mit ihm haben kann!“, so Usher über die Heimkehr Thorns. „Wenn wir zusammen losziehen, sind wir wieder unvernünftige Teenager.“ Das gilt vor allem für die Bühnenshows des Quintetts: Nach der Veröffentlichung von „Casket Case“ (2017) brachte man sein großes bisschen Horrorshow auf große Fahrt, spielte unter neben einer erfolgreichen Deutschlandtournee auch beim Wave Gotik Treffen, dem Rock Harz und dem Ruhrpott Rodeo. Zeigt eben auch mal wieder ziemlich deutlich, wie vielseitig einsetzbar die Band ist.

Mit „Haunted“ legen The Other dennoch eine Zäsur vor. Einen Meilenstein vom Kaliber „We Are Who We Eat“, der die nächsten Jahre maßgeblich beeinflussen wird. „Es ist der klassische Widerspruch“, sagt der Sänger über das neue Album. „Ein Schritt vor, beim gleichzeitigen Blick zurück. Neue Wege und Wurzelkunde in einem. Wir wollten weniger Experimente und dafür unsere Trademarks in jedem Song herausstellen. Dass wir dabei deutlich atmosphärischer und düsterer geworden sind, gefällt mir sehr gut.“ Das hier ist immer noch Horror-Rock in reinster Form, wohlgemerkt. Er kommt aber jetzt ohne Plastik-Skelette und Kunstblut aus. Das alles ist nicht weniger gruselig, aber eben weniger stereotyp. Und trotz aller Düsternis und Atmosphäre mit ordentlich dicker Hose, markigen Gangshouts und gelegentlicher Glam-Patina. Anders gesagt: Die Misfits machen Pause, jetzt sind auch mal The Cult oder The Damned am Zug.

So melodisch und stimmungsvoll wie nie, zur selben Zeit aber explosiv auf den Punkt hingezüchtet und wunderbar verdichtet: Das hier ist der etwas andere Horrorpunk, wie man ihn noch nicht um die Ohren gehauen bekommen hat. Das Monster ist erwachsen geworden, könnte man auch sagen. „Haunted“ ist so der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die mindestens bei „Fear Itself“ (2015) begann. Zum Leben erweckt, wie die aus menschlichem Flickwerk erschaffene Kreatur des Doktor Frankenstein, gehen The Other einen zaghaften Schritt weg vom effekthaschenden Fun-Horror vieler Kollegen und konfrontieren uns mit echtem, substantiellem Horror und einer gehörigen Portion Druck. Das zeigen auch die Bandfotos. Es braucht keine ganz große Ausstaffierung mehr, um den Schrecken wirkungsvoll zu gestalten. Lovecraft gelang das auch mühelos, mit unaussprechlichem Grauen zwischen den Zeilen. Und nicht zuletzt genügt in diesen Tagen ja schon ein Blick aus dem Fenster, um das nackte Grauen zu fühlen.

Aufatmen können aber natürlich auch all diejenigen, die The Other für ihre guten alten Horror-Storys schätzen. „Haunted“ ist ein Stück weit auch ein lustvolles Ausweiden der alten Platten, um mal im Genrejargon zu bleiben. Usher grinst besorgniserregend: „Natürlich muss es auch Songs wie ‚1408 & 217‘ geben, die klassische Gruselthemen zum Inhalt haben und einfach nur nach vorn gehen.“ Und wem diese Ziffern nichts sagen, der ist eh kein Horrorfan! Mit tiefem, dramatischem Gesang, massiven Gitarrenwänden, einigen der stärksten Tracks der bisherigen Karriere und einem beispiellosen Wir-Gefühl in den Stücken haben es The Other auf uns abgesehen: Die erste Single „We‘re All Dead“ fegt mit schnörkellosem Düsterpunk aus der Gruft, „Dead To You, Dead To Me“ lässt Goth-Nebelbänke und nostalgisches Gruselflair aufziehen, abgerundet von Rosenstolz-Sängerin Anna R.. „Turn It Louder“ lädt zur exklusiven VIP-Party im Keller der stillgelegten Nervenheilanstalt - ganz im Sinne der alten Klassiker wie „Lover‘s Lane“ - und auch „Vampire Girl“ reiht sich mit seiner düster-humorigen Liebeserklärung an die Gothic-Girls schon jetzt im Klassikerkanon der Band ein. Mit „Absolution“, einem lupenreinen, zornigen Punk-Stampfer, zeigt man dann sogar klare Kante gegen Rechts: Das „Schrei nach Liebe“ von The Other.

Und das ist noch nicht alles. Parallel zum wichtigsten Album des deutschen Horrorpunk arbeitete die Band auch an ihrem eigenen Hörspiel. Ja, an einem richtigen, blutigen, übertriebenen The-Other-Horrorspaß! „Das fing wie immer als fixe Idee an“, lacht Usher. „Anfangs sollte das nicht mehr sein als ein paar klassische Horrorgeschichten als Bonus zum Album. Es wurde aber mehr und mehr daraus – und plötzlich hatten wir das Drehbuch zu einem Hörbuch und Gastsprecher wie Micha Rhein von In Extremo, Mille von Kreator, Dr. Mark Benecke, Anna von Rosenstolz und Wolfgang Hohlbein. Wir selbst“, sagt er, „übernehmen unsere eigenen Sprechrollen!

Rod Usher hat sich wie immer nicht geschont. Er zog für uns aus, das Fürchten zu lernen. Er tauchte ab in die Schützengräben unserer Psyche, kroch in die tiefsten Schatten seines Bewusstseins, grub tief, kehrte wieder. Und wird doch heimgesucht von den Geistern, die er rief. 13 Songs hat er für „Haunted“ exorziert. Natürlich 13, wie viele denn sonst? Bei The Other wird nichts dem Zufall überlassen.


www.theother.de

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RELEASES

 

THE OTHER - Haunted

Tracklist:

01. Mark Of The Devil
02. We're All Dead
03. Turn It Louder
04. Dead To You - Dead To Me
05. Was uns zerstört
06. On My Skin
07. 1408 & 217
08. Vampire Girl
09. Absolution
10. Fading Away
11. Creepy Crawling
12. To Hell And Back
13. The Silence After The First Snow

 

MULTIMEDIA

 

  • TO_H_P01_by_ItWaits_small
  • TO_H_P02_by_ItWaits_small
  • TO_H_P03_by_ItWaits_small
  • TO_H_P04_by_ItWaits_small
  • TO_H_P05_by_ItWaits_small